In der Karwoche dieses Jahr haben wir – in dieser Welt, nicht auf ewig, so glauben wir – Abschied genommen von einem, der über lange Zeiten wie kaum ein anderer das Leben und die Geschicke unserer Pfarrgemeinde geprägt hat.
Wie kam es dazu?
Die Wege von Franz-Josef Stehmann, einem gebürtigen Berliner, hatten nach Fürth geführt.
Mit 16 Jahren ist er in der „Kleeblattstadt“ in die Kolpingsfamilie eingetreten; sage und schreibe 70 Jahre blieb er dem Kolpingwerk treu.
Nach der Hochzeit mit seiner Frau Hildegard in Fürth/ St. Heinrich im Mai 1963 dann die Übersiedlung in unsere Gefilde: Franz-Josef sprach bei Pfarrer Johann Spieß sel. vor wegen eines geplanten Grundstückskaufes. Eine Begegnung mit weitreichenden Folgen – der Seelsorger erkannte die gläubige Wachsamkeit des Neuankömmlings und er, Franz-Josef, wusste sich angenommen und ließ sich alsbald aktiv einbinden ins Gemeindeleben vor Ort. In den Niederschriften unserer Pfarrei findet sich folgender Eintrag:
„Berichtet man im allgemeinen bei ‚Laien‘ von der Mitarbeit in der Pfarrei, so ist in diesem Fall vom apostolischen Wirken von Franz-Josef Stehmann hier in Heilig-Kreuz zu sprechen. Er identifiziert sich zu 100% mit seiner Pfarrei und fühlt sich für alles verantwortlich. Seine Sorge gilt sowohl den kirchlichen Gebäulichkeiten und deren Ausstattung, den Veranstaltungen, der Weitergabe des Glaubens, als auch jedem einzelnen Gemeindemitglied. All das meistert er aus einem tiefen Gottvertrauen heraus. Wenn man sich bei Franz-Josef bedankt, kommt schnell der Hinweis, dass ‚der Dank unserem Herrgott gilt und er nur sein Werkzeug sei‘. Dabei strahlt er viel Zuversicht aus; ein Jammern oder Klagen kennt er kaum.“
Pionier der ersten Stunde war Franz-Josef im Gremium der Mitverantwortung, anfangs im Pfarrausschuss, ab 1974 dann im Pfarrgemeinderat über 36 Jahre. Auf seine Initiative hin wurde der Liturgie-Ausschuss gegründet und von ihm geführt – mit neuen Ideen und auch mit der Bereitschaft zur Umsetzung. Die Öffentlichkeitsarbeit hat er vorangetrieben, Presseberichte verfasst und entscheidend unseren Pfarrbrief konzipiert. In ökumenischer Weite gab er viele Anregungen für die Erwachsenenbildung, unterstützte die Arbeit des Seniorenkreises nach Kräften, neu hinzugezogenen Gemeindemitgliedern hat er ein freundliches Willkommen seitens der Kirche entboten. Das Geschehen im Pfarrsaal trägt sein Gesicht – den hat er jahrelang betreut, bewirtschaftet und so die Gabe der Gastfreundschaft hochgehalten. Und auch hier im Gotteshaus war er tätig, mit Hingabe als Mesner und im Dienst als Kommunionhelfer und Lektor. Für all diesen Einsatz mit Rat und Tat wurde ihm im Oktober 2011 seitens unserer Diözese Eichstätt die Silberne Bistumsmedaille überreicht in Anerkennung für sein großes ehrenamtliches Wirken hier bei uns und weit darüber hinaus. Wenn du ihn fragtest, ob das alles an Zeit und Kraft so leistbar ist, war die Antwort: „Ausruhen kann ich mich noch genug im Jenseits.“
Stärkung waren ihm die Sakramente des Heiles und die Botschaft der Heiligen Schrift. Die biblische Wegweisung hat er vielen ans Herz gelegt und selber immer wieder Worte des Zuspruchs verfasst. Eine Zuschrift von ihm begleitet mich seit etlichen Jahren: „Lieber Pfarrer, stellen Sie sich einen Traumgarten vor, in dem alles in Idealform gedeiht – kein Unkraut, alles wächst in gewünschter Richtung, so dass es nichts zu beschneiden gibt. Was sollte da ein Gärtner tun? Nur ein zu bestellender Garten erfordert einen erfahrenen Arbeiter. So ähnlich ist es mit einer Pfarrfamilie. Wenn da nur Heilige in brüderlicher Eintracht leben, was könnte da ein Seelsorger tun? Wenn bei uns schon alles perfekt wäre,
hätte dich unser Bischof nicht zu uns gerufen, aber die Gemeinden Jesu sind doch oft ‚mehr ein Steinberg als ein Weinberg‘. Nimm also die Herausforderung an, denn Gott traut es dir zu. In diesem Sinn, gesegnete Zeit, Ihr Stehmann.“ – typisch Franz-Josef…
Unsere Kräfte sind nicht unbegrenzt, über die letzten Jahre hin galt es für Franz-Josef, diesen und jenen Dienst in andere Hände weiterzugeben. Ungebrochen bis hinein in die letzte Zeit unter den Widrigkeiten des Alters und den gesundheitlichen Herausforderungen blieb sein Interesse für das Geschehen in Kirche und Welt und seine Aufgeschlossenheit für Gottes Gegenwart. Am 28. März ist er uns im Alter von 86 Jahren ins Licht der Erlösten voran gegangen. Auf Erden sind wir ärmer geworden um einen Menschen, der seine Berufung aus Taufe und Firmung aus vollem Herzen gelebt hat; reicher sind wir durch seine Fürbitte, mit der uns Franz-Josef Stehmann aus der Gemeinschaft der Erlösten im Licht Gottes begleiten wird.
Was ich vom Zeugnis seines Lebens aus dem Glauben lerne: Dass der Ertrag des Lebens nicht besteht in dem, was wir einheimsen oder besitzen, sondern dass zählt und bleibt, was du gegeben hast, freigebig, von Herzen. Dass Gemeinschaft unter uns Menschen – nach einem Wort von Saint-Exupery – nicht wächst als eine ‚Summe von Interessen, sondern als die Summe an Hingabe‘, die wir riskieren, jede und jeder persönlich. Dass wir, auch wenn wir scheinbar nichts mehr zu lachen haben, im
Vertrauen auf den Herrgott dennoch eine letzte Hoffnung bewahren dürfen, die uns nichts und niemand rauben kann. Dass die Kirche nicht Institution ist, ‚Glaubens-Überbau‘, sondern dicht bei uns ein ‚Haus aus lebendigen Steinen‘, ein Übungsfeld, auf das wir miteinander gestellt sind, damit Gottes Liebe nicht nur besprochen, kommentiert wird, sondern durch dich Herz und Hand gewinnt und so Eingang findet in dein und mein Leben.
Und so wird – das glaube ich – dein und mein Leben einmal Eingang finden und Zukunft gewinnen in SEINER ewigen Liebe, mit der wir von IHM geliebt sind.
Michael Kneißl, Pfarrer
Franz-Josef Stehmann + 28. März 2022