Jahresrückblick 2022 für die Pfarrei St. Nikolaus

Bild: Ökumenischer Jahresausklang am Alten Rathaus in Wendelstein


Jahresrückblick 2022 des Pfarrgemeinderates St.Nikolaus

vorgetragen von Anne Langenhorst (Vorsitzende der Pfarrgemeinderates) im Jahresabschlussgottesdienst 2022

Einschnitte – kein leichtes Jahr

Seit Ende Februar brennt hier in St. Nikolaus die Kerze vor der Landkarte der Ukraine. Ein stilles Zeichen der Hoffnung auf Frieden und ein Ort, zu dem tagsüber viele Menschen zum Gebet in die Kirche kommen. Krieg in Europa, was für ein schreckliches Jahr für alle Betroffenen!

2022 war auch für uns in St. Nikolaus und im Pfarrverband brücken-schlag kein leichtes Jahr. Corona hat uns nicht verschont. Die Pandemie hat wie überall – im Kino, in Vereinen, in der Musik – für spürbare Abbrüche von Gewohnheiten gesorgt. Auch in unserer Gemeinde gibt es heftige Einschnitte: die Kirchenbesucherzahlen gehen deutlich zurück; viele Menschen vertrauen der Kirche nicht mehr und entscheiden sich auszutreten. Tapfer hängt unser Banner vorne am Zaun „Als Christ/in auftreten, nicht austreten, eintreten für Gott und die Welt“. Dafür stehen wir.

(vorne Mitte) Schwester Angelinde, (vorne rechts) Schwester Carmina

Einschnitte gab es auch im Pastoralteam zu verkraften. Anfang des Jahres verabschiedete sich Schwester Angelinde altersbedingt aus Schwanstetten. Schwester Carmina Unterburger, somit alleine in Schwanstetten, durfte ihre Aufgabe dort leider nicht fortführen und hat sich Ende Juli aus dem Pfarrverband verabschieden müssen. Die Schwestern mit ihrer Spiritualität und Menschenfreundlichkeit fehlen uns. Auf Carminas Stelle hat sich niemand beworben, es bleibt eine Lücke. 

Pfarrkurat Bernhard Kroll

Glücklicher fügte sich eine Lösung für den zweiten Abschied, der das Team der Hauptamtlichen überraschend traf. Pfarrkurat Jürgen Vogt wurde nach längerer Auszeit in den Ruhestand versetzt. Wieder eine große Lücke! Das komplette Pastoralteam ackerte noch mehr als sonst schon. Ich habe mir die Gottesdienstpläne von März bis in den Sommer hinein nochmal angeschaut. Es war heftig, welches Pensum Michael Kneißl geleistet hat, um an allen drei Kirchorten, WEN, SST und RED die sonntägliche Eucharistie anbieten zu können. Sein Erkennungszeichen in diesen harten Wochen waren die quietschenden Reifen bei der Hetze von Termin zu Termin. 6 Messen samt Osternachtvigil allein am Osterwochenende sprechen Bände von diesem Kraftakt. 

Aber wir wurden nicht allein gelassen. Sehr gestaunt habe ich aber auch über die große Bereitschaft befreundeter Geistlicher, auszuhelfen und mit uns Eucharistie zu feiern. Professor Dennemarck, Pfarrer Hutter, Pfarrer Hausner, Pfarrer Hernoga, sie alle versicherten, dass es Freude macht und man spürt, in St. Nikolaus ist ein lebendiger Ort. Gott sei Dank hat es sich gefügt, das Bernhard Kroll als Pfarrkurat bei uns eingestiegen ist und das Team der Hauptamtlichen seit Oktober wieder verstärkt.

Anknüpfen – was wieder geht

Andacht zu 60 Jahre Grundsteinlegung

1962 begann der Bau dieser Kirche. 60 Jahre Grundsteinlegung haben wir begangen. Ja, dieses 2022 war kein leichtes Jahr, aber trotzdem fühle ich eine gewisse Leichtigkeit zurück gekehrt in unser Gemeindeleben. Die Sperrbänder in der Kirche sind gelöst, wir können wieder in spürbarer Gemeinschaft feiern. Große Feiern waren wieder möglich: Hochzeiten und Taufen wurden nach dem „Corona-Stau“ in großer Zahl nachgeholt. Kommunionen, Firmungen haben wir ohnehin schon gefeiert in familiärem Format. 

Die Erfahrung der Pandemie zeigt auch: Es gibt hier eine große Gruppe von Menschen, denen es viel bedeutet, regelmäßig und treu gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Es gibt die Kinder und Familien, die gern zu passenden Gottesdiensten kommen. Einiges behalten wir bei: den Willkommensdienst, das gemeinsame Kommunizieren. Über den Kreis der Kirchenbesucher hinausdenken und uns nicht an reinen Statistiken orientieren, sondern am gelebten Glauben….

Wir freuen uns, dass wir wieder singen und musizieren dürfen. Bekannte Musiker wie Hermann Lahm haben uns mit ihrer Begabung erfreut. Danke an dich, lieber Hermann. Und danke an all die verschiedenen Talente, die sich getraut haben und uns mit ihren musikalischen Beiträgen dieses Jahr über aufgebaut haben, vom Kinderchor über die musische Familie Schuh und Solisten bis hin zu Projektcombos.

 

Gemeinsam wurde die neue Homepage des Pfarrverbands erarbeitet.
Danke an das Team um Robert Jaksch und Marco Steinhart für die enorme Arbeit, die darin steckt. Konrad Sailer kümmerte sich um den „Umzug“ unserer Homepage (www.pfarrverband-bruecken-schlag.de) und hat den neuen Webauftritt schon flott mit Inhalten gefüllt. Ganz herzlichen Dank dafür, dass du die Webseite so aktuell hältst, lieber Konrad!

So konnten wir vielfach auch wieder neu loslegen. Anknüpfen konnten wir in der Ökumene und z.B. wieder den Bibelmarathon in der Karwoche halten, die Weihnachtsgottesdienste draußen planen und neue Ideen schmieden. Anknüpfen konnten wir in der politischen Gemeinde und dank Arnold Kaminski, dem Vorsitzenden des Fördervereins, wieder schwer aktiv sein beim Jazz&BluesOpen im Mai.
Anknüpfen konnten wir im Pfarrverband: Gern waren wir wieder zu Christi Himmelfahrt in der Oberfichtenmühle zu Gast. Ein gemeinsamer Ausflug nach
Bamberg war wieder möglich.

Oberfichtenmühle
Unsere Reisegruppe in Bamberg
Katechetin Domitila Mwelu Kaluki aus Kenia (vorne links)

Auch zu gemeinsamen Veranstaltungen konnten wir wieder einladen: die KAB, der rührigen Seniorenkreis, der Frauenkreis und die EINEN WELTenWende waren aktiv und freuten sich, wenn sich wieder Besucher/innen zu den Vorträgen, Ausflügen und Filmabenden trafen. Höhepunkte waren u.a. der internationale Abend mit Katechetin Domitila Mwelu aus Kenia und die indische Tanzgruppe um Pater Saju George, die hier in St. Nikolaus Gott tanzend die Ehre erwiesen. Danke an alle Gruppen und Gremien, die sich engagieren und lebendige Gemeinde gestalten.

Tanzgruppe um Pater Saju George

Bilder: Konrad Sailer

 

 

 

 

 

 

Besonders froh bin ich als Vorsitzende des PGR, über das starke Engagement im neu gewählten Pfarrgemeinderat. Danke an alle, die bereit waren zu kandidieren. Danke an alle, die dieses Ehrenamt über Jahre hinweg gelebt haben und nun nicht mehr dabei sind. Danke an die 10 gewählten, die beiden „geborenen“ und drei berufenen Pfarrgemeinderäte. Es tut gut zu erleben, dass ihr Lust habt, mitzumachen und uns eure Ideen und eure Zeit zu schenken.

Mit gemeinsamer Kraft konnten wir wieder feiern: Endlich gab es wieder ein Pfarrfest, verbunden mit der 50-Jahr-Feier des Kindergartens. Eine große Fiesta, die spüren ließ, dass wir Begegnungen brauchen. Danke an alle, die zum Pfarrfest beigetragen haben, besonders an den gelassenen Organisator Günther Gier. 

Endlich konnten wir auch wieder zum Brunch ins Vereinsheim bitten und die schöne neue Küche nutzen. Das tut uns gut, uns wieder in Gemeinschaft zu erleben. Ich sage Danke, dem Brunchteam um Andrea Barwig und Siglinde Dürr mit allen Helferinnen und Helfern.

Pfarrfest mit 50-Jahr-Feier des Kindergartens

Was uns gut steht

Zum Abschluss greife ich das Motiv der Textilien gern auf. Ich war ja anfangs verwundert, was Kleidung mit dem Advent zu tun haben sollte, aber nun bin ich von der Idee sehr angetan.

Im Rückblick frage ich mich, was steht uns gut als Gemeinde Jesu hier in Wendelstein? 

Ich denke noch an den Brunch und mir fällt das Geschirrhandtuch als Zeichen der Gastfreundschaft ein. Ja, das steht uns: gastfreundlich sein, auftischen und halt auch abspülen. 

Diese Gastfreundschaft als Markenzeichen haben wir auch am 15. Oktober gezeigt, dem ganz besonderen Tag für Ralf Kerber und die Gemeinde. Bischof Gregor Maria Hanke hat Ralf Kerber und Kollegen Alexander Lutz an diesem Tag zu Diakonen geweiht. Und er war spürbar beeindruckt von der Gastfreundlichkeit in St. Nikolaus. Moni Fass, du hast mit einem großen Team alles gegeben, damit auch nach dem Festgottesdienst beim Empfang weiter gefeiert werden konnte und die Anwesenden mit Ralf um die Wette strahlten. Danke, das war sensationell!

Ralf, dir sei herzlichen Dank für deine Lebensentscheidung, als Diakon bei uns zu wirken. Du hast Jahre des Lernens und der Vorbereitung investiert und schenkst uns nun deine Zeit und Präsenz. Danke dir, danke natürlich auch an deine Frau Iris, die den Weg mit dir gegangen ist und sich mit dir zusammen für ein gutes Miteinander in St. Nikolaus einsetzt. 

Das Diakonengewand steht dir, lieber Ralf. Es ist die zweite Textilie, die ich nennen will. Das Diakonengewand steht aber symbolisch uns allen. So viele sind hier „Diakone und Diakonninnen“, damit meine ich Menschen im Dienst für andere. Danke für alle, die ehrenamtlich Dienste tun, danke für alle, die hauptamtlich Dienste tun. Danke an Martina Deimann für deine Präsenz im Altardienst; an Anke Murdfield im Pfarrbüro und an den besten Mesner Bogdan Urban, immer im Dienst, auch heute Abend! Danke an Moni Fass für die lange Liste der Dienste in Schule und Pfarrei, im Kinderchor, im Kindergottesdienstteam, gefühlt bist du jeden Tag aktiv, natürlich auch heute Abend. Danke an dich, Michael Kneißl. Du verstehst deinen Beruf nicht als klerikale Hoheitsposition, sondern als Dienst. Und das ist keine Floskel, sondern so lebst du auf der Spur Jesu. Danke, dass wir hier schon synodal unterwegs sind. Das macht mir Mut weiterzumachen trotz so manchem Kirchenfrust. Wir konnten gemeinsam in „Gemeinde creativ“ einen Beitrag darüber schreiben. Ich halte fest an der Hoffnung auf einen synodalen Weg für die ganze Kirche. Danke dir fürs Durchhalten und weitergehen! 

Du hast an Weihnachten über die Windeln gepredigt. Aus Lima, habe ich einen Dankesbrief bekommen, da ging es auch um Windeln. Wir haben den Erlös des Pfarrfestes an die Gemeinschaft der missionsärztlichen Schwestern dort gespendet. Sie berichten von ihrer Arbeit. Unsere Spende geht in die Arbeit von Schwester Christianne mit armen Familien mit behinderten Kindern oder Jugendlichen. „Dank der großzügigen Unterstützung, die wir erhalten, bekommen weiterhin mehrere Familien ungefähr alle vier bis sechs Wochen eine kleine finanzielle Hilfe von uns, die sie für das einsetzen können, was in dem Moment am Dringlichsten ist: Medizin, Gas zum Kochen, Lebensmittel oder Windeln für ihre Kinder mit Behinderung.“ Muchas gracias!

Schließlich sage ich ganz herzlich Danke an Gabi Zucker, Gemeindereferentin im Hauptberuf und Clubberin in Nebentätigkeit. Deiner Kreativität und Weltoffenheit verdanken wir die dritte Textilie, die uns allen gut steht: das Club-Trikot mit dem Titel „Mensch.“ Ich find’s genial zu Weihnachten passend. Gott wird Mensch. Wir dürfen uns als Menschen begegnen. Punkt. 

Annegret Langenhorst



 

Predigt zum Jahresabschluss 2022

von Pfarrer Michael Kneißl

Texte zu Textilien haben uns begleitet und –geistlich– ‚bekleidet‘ in der ausklingenden Zeit dieses Jahres.

Die Verse aus dem Gebetsschatz der Bibel, aus Psalm 104 weiten heute am Silvester-Abend noch einmal unseren Horizont: da geht’s nicht nur um uns Menschen, wie wir uns ausstaffieren, was wir anziehen, wie wir ‚daher-kommen‘ – sondern um die ganze Schöpfung und den, der alles kreativ hervorbringt: „Du, GOTT, hüllst dich in Licht wie in ein Gewand; DU bist gekleidet in Schönheit und Pracht, spannst das Firmament über uns aus wie eine Zeltbahn, die Erde ist voll von deinen Gütern.“ 

Dazu ein Satz von Papst Franziskus: „Das Göttliche und das Menschliche begegnen einander in den kleinen Details des nahtlosen Gewandes der Schöpfung Gottes, sogar im winzigsten Staubkorn unseres Planeten.“ — Gut, dass wir als Hinweis und Erinnerung daran Gaben der Schöpfung mit ins Gotteshaus herein-nehmen, gerade in dieser Zeit des Kirchenjahres: Das Licht, die Flammen der Kerzen, die grünen Zweige und der weihnachtliche „Lebensbaum“ (heuer nicht aus der ‚Musterplantage‘, sondern aus Grubers Garten – “wie gewachsen“ -unter uns Menschenkindern gibt‘s ja auch unterschiedliche Gestalten, festere Exemplare und dünnere ‚Spargel‘) – die Sterne, die den unendlichen Kosmos hier vertreten – „In Weisheit hast DU, Gott, alles gemacht.“ — Uns Erdenbewohner*innen ist dieses göttliche Kleid der Schöpfung übergeben und anvertraut zur Pflege und Bewahrung. Wenn diese Welt von uns –wie‘s auf manchen Sammelcontainern für gebrauchte Klamotten heißt – zur ‚ausgeliebten Sache‘ wird, können wir sie nicht in die Kleidersammlung geben – ein zweites ‚nahtloses Erdengewand‘ gibt’s nicht mehr. Die Bewahrung unseres Lebensraumes ist also nicht nur eine Angelegenheit für last-generation-Leute, sondern für uns als Glaubende gleichsam ein gottesdienstliches Geschehen, ein spiritueller Auftrag von IHM her…

„Der Glaube trägt ein schweres Kleid – aus Gnadenglück und Sterbeleid“

– glücklich bin ich tatsächlich, wenn wir im wunderbaren Zeichen der Taufe einem Menschen Gottes Zusage mitgeben dürfen, dass uns nichts von SEINER erbarmenden Liebe scheiden kann: 27 Neugetaufte durften wir in die Kirchenbücher einschreiben. 29 Kinder haben in der Osterzeit ihre Erstkommunion gefeiert. 16 Jugendlichen wurde im Sakrament der Firmung die Geistkraft Gottes für ihren Lebensweg zugesprochen. 5 Brautpaare haben zum standesamtlichen Versprechen ihr Ja-Wort fürs Leben auch unter Gottes Segen gestellt. Unser Bischof Gregor Maria hat am 15. Oktober hier in der Pfarrkirche Ralf Kerber aus unserer Gemeinde und seinen Kollegen Alexander Lutz aus IN zum Diakon geweiht. Ein Erwachsener hat um die Aufnahme in die Kirche gebeten. — Ein Kommen und Gehen: die Austrittszahlen heuer sind „rekordverdächtig“ – auch vor Ort bei uns: 81 Mitchristen haben am Standesamt ihre Konfessionszugehörigkeit löschen lassen. – Abschied genommen haben 50 Mitglieder unserer Pfarrei; die wir mit dem Fürbittgebet der Kirche begleiten durften; ihnen und dem heute heimgegangenen +Joseph Kardinal Ratzinger/Pp. em. Benedikt rufen wir zu: „O Herr, gib ihnen die ewige Ruhe / und das ewige Licht leuchte ihnen / HERR lass sie ruhen in deinem Frieden. Amen.“

Gnadenglück und Sterbeleid: An unsere ‚Garderobe‘ habe ich mit dazu gegeben ein Halstuch in den Farben gelb-blau der Ukraine – die Not der Menschen dort und in allen Kriegs– und Krisengebieten der Welt und die Sehnsucht nach einer versöhnten und gerechten Welt begleiten wir mit Gebet und der Flamme des Friedens, die seit Ende Februar tagtäglich hier brennt. Der rote Schal des Katholikentages im Juni in Stuttgart ist mit an der Wäscheleine – Symbol für den ‚roten Mantel‘, den der hl. Martin mit dem Bettler geteilt hat—und für alles, was wir an Gottes– und Nächstenliebe wagen, in der Liturgie und im gelebten Alltag. Und konkret im Teilen von Hab und Gut – Vergelts Gott für alle Gaben zugunsten der Kirchengemeinde und unserer Aufgaben und für die großzügigen Spenden als Hilfe zum Leben und Überleben vieler in der Einen Welt. —
Und mit dabei das Hemd, die Kluft unserer Pfadfinder – stellvertretend für alles, was an Gemeinschaft gelebt und angestiftet wird für Menschen aller Lebensalter – von den Jüngsten bis zu den Hochbetagten – das ist ja das eigentliche Wesen der Kirche, dieser Jesus-Bewegung im Kleinen wie im Großen – das aufrichtige Miteinander und Füreinander in Gottes Namen.

Ein letztes textiles Stück – aus dem Fundus der Sakristei eine Stola – mit die erste, die ich vor jetzt fast 40 Jahren als „Abzeichen“ für den priesterlichen Dienst bekam – von französischen Schwestern am Webstuhl aus unzähligen Seidenfäden in Handarbeit hergestellt. Mittlerweile schon ganz schieder geworden, da und dort in Auflösung begriffen, weil sie bei vielen Einsätzen im Gewand des Glaubens in Gnadenglück und Sterbeleid in Gebrauch war. Ich habe im Blick darauf an einen Text von Madeleine Delbrel denken müssen, die in den 40 und 50er Jahren Sozialarbeiterin und Gottsucherin in Brennpunkten von Paris gelebt hat. Unser Leben und unser Glaube sind ja nicht in erster Linie die großen Schlagzeilen und Ereignisse, sondern das tägliche Klein-klein. Madeleine Delbrel schreibt:

„Was kommt, sind die kleinen Geduldsproben. Diese Übungen der Geduld, diese kleinen Partikel der Hingabe. Schon am Morgen suchen sie uns auf.
Unsere Nerven sind angespannt oder gehen mit uns durch; der Bus ist voll; die Milch kocht über; die Kinder machen alles durcheinander; ein Freund kommt nicht;
das Telefon läutet ununterbrochen; die, die wir lieben, streiten sich;
man möchte schweigen und muss reden; man möchte reden und muss schweigen;
man möchte ausgehen und muss daheim bleiben, und zu Hause bleiben, wenn man weg muss; man sucht im Mann eine Stütze, und er wird schwach wie ein Kind;
das tägliche Einerlei ödet uns an, und wir sehnen uns nach all dem, was wir nicht haben können. So treten die Geduldsübungen an uns heran, nebeneinander oder hintereinander, und sie vergessen immer, uns zu sagen, dass sie die Herausforderung sind, die uns bestimmt ist. Wir aber lassen sie verächtlich vorüberziehen und warten auf eine Gelegenheit, die es wirklich wert wäre, großartig genug, unseren Glauben zu bezeugen.
Denn wir haben vergessen, dass es zwar Äste gibt, die im Feuer verbrennen, aber dass es auch Bretter gibt, die unter unseren Schritten ganz allmählich abgetreten werden
und die schließlich zu Sägemehl werden.
Denn wir haben vergessen, dass es zwar Wollfäden gibt, die mit der Schere sauber abgeschnitten werden, dass es aber auch Fäden in einer Strickweste gibt, die täglich dünner werden am Körper dessen, der sie trägt. So sieht die Bereitschaft aus, die wir zu wagen und lernen haben: die kleinen Übungen der Geduld.“

Gott schenke uns dazu –auch im Neuen Jahr– langen Atem und das Gespür für das, was „dran ist“. Amen.

Michael Kneißl