Jetzt ist die Zeit

Gedanken von Gabriele Zucker, Gemeindereferentin Pfarrverband „brücken-schlag“ Rednitzhembach- Schwanstetten- Wendelstein

Jetzt ist die Zeit!

Das Motto des 38. Deutschen Evang. Kirchentag ist seit Monaten in den Straßen Nürnbergs plakatiert. Über Zeit lässt sich trefflich nachdenken. Das Empfinden von Zeit ist ja höchst subjektiv. Sie scheint nicht zu vergehen oder im Schneckentempo dahin zu kriechen, wenn wir beim Zahnarzt auf dem Behandlungsstuhl sitzen, wenn wir auf den Abpfiff in der Nachspielzeit warten, dann, wenn unser Fußballverein mal vorne liegt. Aber sie verfliegt in Windeseile, wenn wir Urlaub haben und die erholsame Zeit genießen, oder wenn wir uns mit Freunden treffen und schöne Erinnerungen teilen. Jetzt ist die Zeit? Was ist Zeit überhaupt? Was bedeutet Zeit?

Wikipedia verrät uns zur Definition von Zeit unter anderem folgendes: 

„Die Zeit ist eine physikalische Größe. (…) Die Zeit beschreibt die Abfolge von Ereignissen, hat also eine eindeutige, nicht umkehrbare Richtung. (…) Aus einer philosophischen Perspektive beschreibt die Zeit das Fortschreiten der Gegenwart von der Vergangenheit kommend und zur Zukunft hinführend. (…)“

Aha, wenn ich den ganzen Artikel lese, habe ich den Eindruck „Zeit“ ist doch etwas sehr Komplexes. 

Kehren wir lieber auf den Kirchentag zurück. Haben Sie sich Zeit genommen und beim Bummel durch die Stadt Eindrücke gesammelt? Vielleicht hatten Sie auch ein Tagesticket und haben einige Angebote wahrgenommen? Oder Sie sind stolzer Besitzer einer Dauerkarte und haben schon vorneweg im Internet Ihre Highlights reserviert? Für was haben Sie sich Zeit genommen? Was war Ihnen Ihre Zeit wert? Was tat Ihnen gut? Waren oder sind es die spontanen Begegnungen in der Fußgängerzone, am Straßenrand? Ist es das Herausgerufen sein aus dem Alltag, neue Inspiration für den Glauben zu erhalten und Gleichgesinnte zu treffen?

Jetzt ist die Zeit! Nehmen wir uns die Zeit und nutzen wir sie. Jedoch nicht im Sinne von „Carpe Diem“, wie Horaz es formuliert. Es geht nicht um ein pures hedonistisches Sich-Zeit-nehmen, um den heutigen Tag zu nutzen oder zu genießen, weil wir nicht wissen, was der morgige Tag bringt. Wie immer dürfen wir das Kleingedruckte nicht übersehen: Hier steht nämlich das Kürzel Mk 1,15 in der Ecke.

„Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“

so interpretiert die Einheitsübersetzung den Bibelvers. 

Gottes Liebe erfahrbar machen

Das ist Jesu Grundauftrag. Das ist sein Programm. Sein Auftrag war es den Menschen das Reich Gottes nahe zu bringen. Seine Verkündigung und sein Wirken waren davon geprägt, den Menschen die Liebe Gottes erfahrbar zu machen. Wer ihm nachfolgt, wer sein Schüler/seine Schülerin ist, der kann schon jetzt etwas vom anbrechenden Reich Gottes, der Fülle der Zeiten und des Lebens erfahren. Auch hier und vor allem hier hat das Schlagwort von der „Zeitenwende“ seine Berechtigung: Jetzt ist die Zeit! Kehrt um und glaubt an das Evangelium. Wer das Evangelium Jesu zum Maßstab seines Lebens nimmt, dem ist auch bewusst, dass er Verantwortung trägt für seine Mitmenschen, die Bewahrung der Schöpfung um uns herum und auch für sein ganz persönliches Leben. Sie haben doch auch noch den alten NGL-Schlager von Alois Albrecht und Ludger Edelkötter „Worauf es ankommt, wenn ER kommt“ im Ohr? Der Refrain fasst es folgerichtig zusammen:

„Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde. Heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn ER kommt.“

Die einzelnen Strophen zählen nach den Werken der Barmherzigkeit auf, wie die Nachfolge Jesu und der Einsatz für das Reich Gottes aussehen können. Es kommt nicht darauf an, was wir haben, können, wissen oder vor anderen gelten. Es kommt allein darauf, was wir für unsere Schwestern und Brüder und damit für ihn tun.

Im Evangelium des heutigen Sonntag präzisiert es Jesus im Gespräch mit den gesetzestreuen Pharisäern noch einmal. Es geht ihm nicht darum Reinheitsgebote um der Gebote willen einzuhalten. Er stellt den konkreten Menschen in den Mittelpunkt und fragt sich, was derjenige braucht, um wieder an Leib und Seele gesund zu sein. Und so kontert er das Gemosere der Pharisäer:

„Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Geht und lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer!
Denn ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder.“ (Mt. 9,12 f)

Was für eine Zeitenwende, wenn auch wir in Kirche und Gesellschaft die Kranken, die Armen und Notleidenden, die Außenseiter in das Blickfeld unserer Überlegungen stellen würden!

Jetzt ist die Zeit!