Mord im Kindergarten!
Erste Autorenlesung in Wendelstein von Prof. Dr. Georg Langenhorst aus seinem neuen Krimi
Ungewöhnlich: Ein Universitätsprofessor schreibt nebenher Krimis! Seit 23 Jahren wohnt Georg Langenhorst in Großschwarzenlohe, seit zehn Jahren ist er als Krimiautor tätig.
Nun ist sein siebter Fall erschienen:
„Tote Erzieherin – gute Erzieherin. Mord in der KiTa“ (Echter-Verlag Würzburg).
65 Neugierige sind zur ersten Lesung zusammengekommen. Der Pfarrsaal in St. Nikolaus platzt aus allen Nähten. Das liegt auch an der musikalischen Gestaltung durch Kilian Langenhorst. Der Fünfundzwanzigjährige fühlt sich spontan in die Texte seines Vaters ein und improvisiert meisterhaft am Piano.
„Textlesung und Einblick in die Autorenwerkstatt“, so ist der Abend angekündigt. Wie also entstehen diese Krimis? Und warum? „Mich reizen klar bestimmbare Milieus, also erkennbare, in sich geschlossene Lebensräume“, erklärt Langenhorst. „In einem Krimi kann man solche Bereiche besonders gut ausleuchten. Der Krimi erzählt von Konflikten, die dort entstehen und zu unfassbaren Taten führen. Wie kann so etwas geschehen? Diese Fragen treiben mich um.“
Der siebte Fall seiner Krimis um den Kommissar Bernd Kellert führt ihn in die Welt der Kindergärten. Tagtäglich müssen Erzieherinnen Hunderte Kinder beaufsichtigen. Der Träger der Einrichtung hat bestimmte Erwartungen, die politische Gemeinde, die Eltern, die Kolleginnen: da prallen leicht Aggressionen aufeinander. Im Krimi kann man den Fall durchspielen, dass sie zu einer Gewalttat führen. Die Lesenden folgen den Ermittlern hinein in die Innenwelt von heutigen Kindergärten: spannend, konfliktreich, augenöffnend.
Woher bezieht der Autor seine Kenntnisse? Der Dreiundsechzigjährige führt aus: „Ich war zwölf Jahre lang in der Kirchenverwaltung der Gemeinde St. Nikolaus in Wendelstein tätig. Anfangs haben wir die dortige Kindertagesstätte noch selbst verwaltet und waren mit all den alltäglichen Belangen befasst. Nichts von dem Erzählten hat dort stattgefunden, aber die Grundspannungen waren spürbar.“ Die Abgabe der Zuständigkeit vor Ort und die Überführung in eine größere Betriebsgesellschaft sorgen für zusätzliche Konflikte. Außerdem arbeitet der Autor als Religionspädagoge mit vielen Trägern von KiTas zusammen. „Die Kolleginnen haben mir immer wieder viel von ihrem anstrengenden Alltag erzählt“, berichtet er. „Ich bewundere sie für ihren Einsatz!“
Im Krimi werden nie konkrete Personen, Einrichtungen und Orte erkennbar. Langenhorst verzichtet auf konkrete Anspielungen. „Ich will, dass man Typen erkennt, aber nicht einzelne Persönlichkeiten“, stellt er klar. „Das fände ich peinlich. Will ich mich auf deren Kosten lustig machen? Ich möchte Milieus schildern, die man unabhängig von einem konkreten Ort wiedererkennen kann.“
Ungewöhnlich, wie diese Krimis entstehen. Langenhorst berichtet: „Ich bin
tatsächlich meinen Ermittlern immer nur einen kleinen Schritt voraus. Am Anfang steht eine Tat. Wer sie begangen hat, und vor allem: warum – das erschließt sich mir selbst erst beim Schreiben. Die Logik muss sich mir (und den Kommissaren) von innen erschließen. Ich bin da selbst immer wieder sehr neugierig. Das macht für mich den eigentlichen Reiz des Schreibens aus. Und bislang haben sich die am Anfang offenen Fragen – auch meine eigenen – immer noch geschlossen.“
Der Haupthandlungsort ist frei erfunden: die bayerische Bischofsstadt Friedensberg. „Die gibt es so nicht. Wirklich nicht!“, unterstreicht er. Und die auftretenden Personen? Sind sie nicht doch realen Menschen abgeschaut? Langenhorst beteuert: „Nein, wirklich nicht! Keine der Figuren entspricht einem realen Vorbild. Aber natürlich gibt es einzelne Charakterzüge, die ich mir von anderen abschaue. Immer nur so, dass es keine ‚Wiedererkennung‘ geben kann. Auch wenn Lesende das oft anders sehen und konkrete Personen zu erkennen glauben.“ Er schmunzelt. „Wenn mir drei Leser unabhängig voneinander erklären: das ist aber doch ganz eindeutig xy – und es handelt sich um drei völlig verschiedene Personen, dann habe ich alles richtig gemacht.“
Langenhorst denkt nach und räumt ein: „Also gut, zugegeben: Ab und zu tauchen mal in Verkleidung und Anspielung – immer nur in winzigen Nebenrollen – Menschen aus meinem Lebensumfeld auf. Immer nur positiv. Ja, auch aus Wendelstein. Das erkennen dann aber bestenfalls nur sie selbst.“ Der Abend in Wendelstein endet mit lang anhaltendem Applaus für Vater und Sohn. Und vielen Zuhörern, die sich nun mit Spannung an die Lektüre des Krimis begeben.
Diese Art von Krimi scheint zu funktionieren. Der im April erschienene Fall ist der siebte in dieser Reihe. Sie spielen in Lebenswelten, die dem Alltag und den Berufserfahrungen des Autors nahe sind: an der Universität, in einem Priesterseminar, in einer Pfarrgemeinde, in einem Gymnasium, im Umfeld der Kirchenmusik, in einem Seniorenstift. Nun also in einem Kindergarten. Über die erfundenen Personen können Lesende in die jeweils aufgerufenen Lebenswelten eintauchen. Entweder reizt sie das Wiedererkennen von ihnen bekannten Strukturen und Einrichtungen, oder aber die Neugier auf ein ihnen nur wenig vertrautes Milieu. Der erste der im renommierten Würzburger Echter-Verlag erscheinenden Krimis befindet sich in fünfter Auflage, die folgenden drei in der jeweils zweiten. Dazu kommen Exemplare als e-books.
Fotos: Konrad Sailer